Gerade in Umgangsstreitigkeiten oder beim Streit um das Sorgerecht oder Teilen davon muss sich das Gericht der Hilfe eines Sachverständigen bedienen und holt ein familienpsychologisches Gutachten ein.
Wer darf ein familienpsychologisches Gutachten erstellen?
Das Oberlandesgericht Schleswig hat hierzu am 31.05.2019 zum Aktenzeichen UF 13/19 einen Beschluss erlassen, der sich mit den Anforderungen an die Qualifikation eines Sachverständigen bei Erstellung von psychologischen Gutachten in Kindschaftssachen beschäftigt.
Im Fall waren die Eltern damit überfordert, sich um ihre Kinder zu kümmern. Die Kinder lebten deshalb immer wieder in Pflegefamilien. In diesem Zusammenhang erging eine Gefährdungsmitteilung des zuständigen Jugendamtes an das Familiengericht. Das Familiengericht leitete daraufhin ein Kinderschutzverfahren gemäß § 1666 BGB ein. Im Verfahren beauftragte das Gericht eine Dipl.-Sozialpädagogin (FH) und Dipl.-Sozialarbeiterin als Sachverständige mit der Erstellung eines Gutachtens. Die Sachverständige bediente sich bei der Erstellung ihres Gutachtens der Hilfe zweiter Dipl.-Pädagoginnen mit Zusatzqualifikationen und einer Fachärztin für Psychiatrie, die als ärztliche Leiterin einer psychiatrischen Tagesklinik tätig ist. Das von der Sachverständigen allein unterschriebene Gutachten ist von dieser unter Hinweis auf die beteiligten Co-Gutachterinnen als "stationäres interprofessionelles familienpsychologisches Gutachten" vorgelegt worden. Im Ergebnis wurde den Eltern vom Familiengericht das Sorgerecht teilweise entzogen. Die Eltern haben gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt.
Unzulässige Übertragung des Begutachtungsauftrages an Dritte
In der zweiten Instanz nahm das Oberlandesgericht Schleswig unter anderem dazu Stellung, dass die Sachverständige das Gutachten nicht allein erstellte, sondern sich der Mithilfe Dritter bedient hat. Das Gericht stellte einen Verstoß gegen §§ 30 FamFG i.V.m. 407a Abs. 3 ZPO fest. Danach darf der Sachverständige den Auftrag nicht auf andere Personen übertragen. Bedient er sich der Hilfe anderer Personen, hat er diese namhaft zu machen und dem Umfang der Tätigkeit anzugeben, sofern es sich nicht nur um Hilfsdienste von untergeordneter Bedeutung handelt.
Das Gericht wies darauf hin, dass die Grenze zulässiger Hinzuziehung von Hilfspersonen aber dann überschritten ist, wenn der Sachverständige selbst die Arbeiten nicht mehr überschaut und auch die wissenschaftliche Auswertung und Gesamtbeurteilung der Ergebnisse dem Gehilfen überlässt. Gerade für die Mithilfe der Fachärztin für Psychiatrie sah das Gericht diese Grenze überschritten. In Ermangelung eigener psychiatrischer Qualifikation konnte nämlich die Sachverständige die psychiatrischen Feststellungen der Hilfsperson weder selbst treffen, noch diese fachlich überprüfen.
Anforderungen an die Qualifikation der Sachverständigen
Das Gericht stellte weiter fest, dass die Sachverständige nicht die Mindestanforderungen für die Erstattung von Gutachten in Kinderschutzverfahren gem. § 1666 BGB erfüllt. Gem. § 163 Abs. 1 FamFG ist das Gutachten durch einen geeigneten Sachverständigen zu erstatten, der mindestens über eine psychologische, psychotherapeutische, kinder- und jugendpsychiatrische, psychiatrische, ärztliche, pädagogische oder sozialpädagogische Berufsqualifikation verfügen soll. Verfügt der Sachverständige über eine pädagogische oder sozialpädagogische Berufsqualifikation, ist der Erwerb ausreichender diagnostischer und analytischer Kenntnisse durch eine anerkannte Zusatzqualifikation nachzuweisen.
Das Gericht hat sich im weiteren Verfahren die Qualifikationsnachweise der Sachverständigen vorlegen lassen und diese beurteilt. Es hat dazu auf die Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung (Drucksache 18/9092, S. 20) zurückgegriffen. Die von der Sachverständigen vorgelegten Zertifikate bestätigen die Befassung mit dem jeweiligen Programm jedoch nur für einen kurzen Zeitraum im Fernstudium durch die Bearbeitung von Inhalten im Rahmen von Einsendeaufgaben. Eine effektive qualitätsgesicherte Leistungskontrolle des Lernerfolges fand nicht statt. Praktische Leistungen konnten ebenfalls nicht nachgewiesen werden.
Im Ergebnis reichte dem Gericht die Qualifikation der Sachverständigen nicht aus. Das von ihr erstellte Gutachten wurde nicht verwertet. Beim teilweisen Entzug des Sorgerechts der Eltern verblieb es aber trotzdem. Das Gericht konnte sich aufgrund der bislang aus anderen Quellen gewonnenen Erkenntnisse (Berichte Kinderschutzzentrum, MDK-Gutachten, Ausführungen der Mutter) ein eigenes Bild machen und bestätigte letztlich das Ergebnis der ersten Instanz.