Scheinselbständigkeit
Nicht selten schätzen es Selbständige oder Arbeitnehmer nicht richtig ein, dass Zweifel daran bestehen könnten, ob es sich bei ihrer Tätigkeit um eine Abhängige Beschäftigung handelt oder nicht. Dies birgt ein ganz erhebliches Risiko, denn im Falle einer Korrektur durch die Clearingstelle der Rentenversicherung drohen erhebliche Nachzahlungen. Besonders betroffen sind beispielsweise selbständig tätige Pflegekräfte, Kameraleute, Krankenhausärzte, Freelancer oder Kurierfahrer oder auch Lehrkräfte. Es kommen alle Berufsgruppen in Betracht, die überwiegend für nur einen Auftragnehmer arbeiten.

Clearingverfahren
Um die Zweifel hinsichtlich der Qualifikation Ihrer Tätigkeit als selbständige Tätigkeit auszuräumen besteht die Möglichkeit, gemäß § 7a Abs. 6 SGB IV innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit einen Antrag auf Statusfeststellung bei der Deutschen Rentenversicherung zu stellen. Für den Fall, dass die Prüfung dazu führt, dass eine abhängige Beschäftigung vorliegt, tritt die Versicherungspflicht erst mit der Bekanntgabe der Entscheidung ein, wenn Sie
- zustimmen und
- Sie für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen haben, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht.
Die Zustimmung kann auch noch im Widerspruchs- oder im Klageverfahren erfolgen.
Oftmals versäumen die Betroffenen jedoch diese Frist oder sind sich der Möglichkeit der Scheinselbständigkeit nicht bewusst. Dann kann auch später ein Clearingverfahren durchgeführt werden. Zumeist wird dieses Verfahren dann von der Rentenversicherung, der Krankenversicherung oder dem potentiellen Arbeitgeber eingeleitet.
Im Verfahren erhalten Sie ausführliche Fragebögen. Hier ist es ratsam, diese Fragebögen nicht ohne anwaltliche Hilfe zu beantworten. Es ist hier gegebenenfalls auch angezeigt, mit dem potentiellen Arbeitgeber zusammen zuarbeiten.
Die Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung ist für alle Behörden bindend!
Abgrenzungskriterien Scheinselbständigkeit
Die Abgrenzung, ob eine Scheinselbständigkeit vorliegt oder nicht, ist nicht immer einfach. Die Kriterien hierfür werden von der Rechtsprechung ständig weiter entwickelt. Der Begriff der Beschäftigung ist in § 7 Abs. 1 SGB IV geregelt. Dort heißt es: „Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers." Probleme bereiten die Fälle, in denen kein Arbeitsverhältnis besteht, die Tätigkeit aber dennoch faktisch wie die eines Arbeitnehmers ausgeübt wird. In diesen Fällen liegt eine Scheinselbständigkeit nahe.
Von einer Selbständigkeit ist auszugehen, wenn die typischen Merkmale unternehmerischen Handelns vorliegen. Die typische Merkmale unternehmerischen Handelns sind die Erbringung von Leistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Auch die eigenständige Entscheidung über
- Einkaufs- und Verkaufspreise, den Bezug von Waren,
- Personalfragen, wie z.B. die Einstellung bzw. Entlassung von Personal,
- Einsatz von Kapital und eigener Arbeitsgeräte,
- Entscheidung über Einkaufs- und Verkaufskonditionen,
- Kundenaquisation aufgrund eigener Entscheidung,
- Werbemaßnahmen und Auftreten als Selbstständiger in der Geschäftswelt (Eigene Briefköpfe, Zeitungsannoncen, eigene Visitenkarten, eigene Homepage),
- Kapitalbeteiligung von mehr als 50 Prozent,
- erfolgsabhängige Vergütung,
- keine oder eigenverantwortliche Urlaubsregelungen,
Weitere Kriterien für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit sind zum Beispiel, dass mehrere Auftraggeber vorhanden sind oder der Selbständige eigene Beschäftigte hat.
Für den Status als Beschäftigter sprechen beispielsweise folgende Kriterien:
- Der Betroffene ist Weisungsgebunden ohne eigenständige Entscheidungsmöglichkeit.
- Der Selbständige hat vor seiner Selbständigkeit die gleiche Tätigkeit als Angestellter verrichtet.
- Der Selbständige hat kein eigenständiges Firmenschild, keine Geschäftsräume, kein Geschäftskonto.
- Der Selbständige tritt in der Arbeitskleidung des (Haupt)Unternehmers auf.
Letztlich kommt es auf eine Gesamtschau an. Ob in Ihrem Falle eine tatsächliche Selbständigkeit oder eine Scheinselbständigkeit vorliegt, kann aus anwaltlicher Sicht anhand der vorliegenden Kriterien lediglich vermutet werden.